Viva la vida.

Man sagt: Gelegenheit macht Diebe. Ich weiß nicht, ob das so stimmt, denn wir sind große Künstler darin, Ausreden zu erfinden, um Gelegenheiten gerade nicht zu ergreifen, Möglichkeiten verstreichen zu lassen. Wir nennen es beschönigend "Vernunft", "Sachzwänge" oder auch "keine Zeit".

Was passiert, wenn man eine Gelegenheit einfach ergreift? - Man landet auf einem Chorwochenende in der niedersächsischen Einöde, genauer gesagt im Stiftungskloster Frenswegen bei Nordhorn.

Es war gut, dass ich nicht vorher recherchierte, wo Frenswegen eigentlich liegt. Hätte ich gewusst, dass ich von dort aus bequem zu Fuß die deutsch-holländische Grenze überqueren kann, hätte ich es mir anders überlegt.

Doch die Anmeldung war schon draußen und ich wollte nicht kneifen. Ohnehin muss ich gestehen, dass der Ausflug nah genug an meiner Komfortzone lag: Ich liebe Singen und das Chorwochenende wurde veranstaltet von dem Förderungswerk, das mir einen Gutteil meines Studiums finanziert hatte.


Die Anreise.
Von München aus nach Frenswegen zu reisen ist langwierig, manche würden sagen strapaziös. Ich entschied mich für die Variante aus Flug und öffentlichen Verkehrsmitteln. Von München aus kann man zum Flughafen Münster/Osnabrück reisen. Wie klein dieser Flughafen sein muss, wurde mir erst klar, als ich die kleine Propellermaschine sah, die uns dorthin transportieren sollte. Der Flughafen selbst bestätigte meine Annahme: Es herrschte betriebsame Leere.


Per Schnellbus S50 ging es weiter nach Ibbenbüren, wo ich das freundliche Gesicht nördlich liegender deutscher Kleinstädte kennenlernte. Ich geriet auf den Wochenmarkt, wo sich Menschen auf dem Marktplatz trafen um Kaffee zu trinken und kurz mit ihren Bekannten zu schnacken. Es roch nach Kräutern, frischen Erdbeeren, Käse und Geräuchertem, der wundervolle Geruch eines frühlingshaften Markttages.


Von Ibbenbüren aus fuhr der Bus 100, der "Fietsenbus", nach Nordhorn und weiter nach Frenswegen. Zahlreiche Fahrradwege führen durch das Land, wo junge und alte Menschen auf nostalgisch anmutenden Hollandrädern die Landschaft durchqueren.


Die Aktivitäten.
Das Kloster selbst liegt am Rande Nordhorns, direkt an der deutsch-niederländischen Grenze. Erbaut im 15. Jahrhundert, dient es schon lange nicht mehr als Kloster. Heute befindet sich ein Tagungsort mit Unterkünften darin. Den spröden Charme eines Klosters hat es sich dennoch bewahrt.

Die nächsten Tage waren gefüllt mit Gesang. Einen Großteil der TeilnehmerInnen kannte ich nicht, aber das machte nichts. Es hat etwas Erhebendes, wenn Menschen zusammenkommen und gemeinsam etwas erschaffen, das größer ist als sie.

Ich sang unter erschwerten Bedingungen: Nur kurz vor meiner Abreise begann sich eine Erkältung anzukündigen, die sich über das Chorwochenende verschlechterte. Das sollte mich nicht stoppen, nein: Ich wollte nicht, dass es mich stoppte. Ich sang weiter bis ultimo.

Singen ist etwas Großartiges. Man erzeugt Klänge mit dem eigenen Körper und weiß, wie Musik sich anfühlt. Man braucht keine Instrumente, denn der Körper ist das Instrument. Es ist das Summen in deinem Kopf, das Schwingen im Bauch, die angenehme Spannung im Körper. Im Einzelcoaching lernte ich mich noch ein wenig besser kennen: Ich habe Probleme, mich nach vorne zu lehnen, den Mund aufzumachen und einfach mal geradeaus zu sehen.

Die Landschaft um das Kloster herum ist sehr ländlich, etwas, das viele Grenzgebiete mit sich bringen. Das flache Land ist ideal, um mit dem Fahrrad die Umgebung zu erkunden. Die Menschen sind anders als in München. Freundlich, nie um einen netten Spruch verlegen. Nicht mürrisch. Aber vielleicht spielte auch das Wetter eine Rolle - strahlender Sonnenschein, blühende Bäume. Wer könnte da mürrisch sein?


Das Ergebnis.
Es war eine schöne Reise. Das Ergebnis des Chorwochenendes möchte ich euch nicht vorenthalten. Gibt es bei euch bald wieder eine Gelegenheit, die euch zum Dieb machen könnte? Nehmt euch die Zeit, oder stehlt euch die Zeit.

In diesem Sinne: Viva la vida.


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